Kinder möchten gut sein für ihre Eltern
Wenn Ihr Kind Sie und seine Lehrer zur Weißglut treibt, sind nicht immer schlechte Erziehung, zu viel Zucker oder ein überbordender Medienkonsum schuld. Vielleicht möchte Ihr Sohn/Ihre Tochter einfach nur das Beste für Sie, die Eltern tun. Aus Liebe und Loyalität übernehmen Ihre Kinder Funktionen für Sie, um Ihnen zu helfen, mit den Belastungen des Lebens zurechtzukommen.
Leider erstrecken sich diese Liebesbeweise nicht auf Banalitäten, wie Tischdecken, Aufräumen oder Schuhe putzen. Nein, Kinder steigen unbewusst auf tieferer Ebene ein. Sie erspüren instinktiv die Brüche im Leben ihrer Eltern und versuchen Lücken zu füllen oder Verantwortung zu übernehmen. Das sichert ihnen in ihrer Abhängigkeit die Fürsorge der Eltern, gibt ihnen Gewicht und Achtung in der Familie und sorgt manchmal sogar für die Daseinsberechtigung.
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So geht ein Sohn in die Stellvertretung für seinen früh verstorbenen Großvater und „spielt“ Papa für seine Mama.
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Ein Kind versucht die Trauer der Eltern zu lindern, indem es versucht, ein totes Geschwister zu ersetzen.
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Vielleicht führt die Tochter die Auseinandersetzung mit der Mutter, die diese mit ihrer eigenen Mutter hätte führen müssen.
Diese wenigen Beispiele zeigen, wie stark die Verstrickungen sind, die im Familiengefüge zwischen Ahnen und Lebenden, Vergangenheit und Gegenwart entstehen. Natürlich spiegeln sich diese Verstrickungen in den Lebensläufen der Kinder und später auch in deren Erwachsenenleben wieder. Sie beeinflussen das Leben aller Familienangehörigen im Guten wie im Schlechten.
Die sich aus den unbewusst übernommenen Rollen ergebenden Aufgaben sind für die Betroffenen in der Regel unlösbar. Das kann zu erheblichen familiären Spannungen, Versagens- und Schuldgefühlen führen.
Kinder, die Verantwortung für ihre Vorfahren und Eltern übernehmen, sind überfordert und agieren häufig auf anderen Schauplätzen als den im Alltag geforderten. Die Folgen sind z.B. Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität, oder Rückzug in eine Traumwelt, Versagensängste, psychosomatische Störungen und Erkrankungen wie Ängste, Schlafstörungen oder Allergien. Später können Süchte, Depressionen oder Schwierigkeiten in Beruf und Partnerschaft hinzukommen.
Genogrammarbeit als Ausweg aus dem Dilemma
Das Genogramm ist der in einer einfachen Grafik zu Papier gebrachte Familienstammbaum.
Das Ehepaar Frau Dr. phil. Monika und Prof. Dr. med. Rainer Adamascek entdeckte in über 20jähriger Forschungsarbeit Gesetzmäßigkeiten, nach denen die einzelnen Familienmitglieder Stellvertretungsaufgaben für ihre Vorfahren übernehmen. Beispielsweise steht die erste Tochter für ihre Großmütter ein, der erste Sohn repräsentiert entsprechend seine Großväter natürlich vorausgesetzt, diese konnten ihre eigenen Lebensaufgaben aus welchem Grund auch immer nicht erfüllen. Das Genogramm macht solche Verstrickungen des Familiensystems sichtbar und bringt Vergangenheit und Gegenwart miteinander in Verbindung. Der Ratsuchende kann auf einen Blick seinen Platz in der Familie erkennen, herausfinden, welche Aufgaben er von wem übernommen hat und er lernt, sich selbst besser zu verstehen.
Mit Hilfe von Familienaufstellungen und Kinesiologie werden Wege gefunden, sich mit der Vergangenheit zu versöhnen, leidvolle Übertragungen und Abhängigkeiten zu lösen, sich der Stellvertreteraufgabe zu entledigen und Eigenverantwortung zu übernehmen. Die Schicksale der Ahnen werden im Laufe dieses Prozesses gewürdigt, Verluste sichtbar gemacht und angemessen betrauert. Unerlöstes kann endlich gelöst, der Betroffene entlastet werden und Frieden in die Familie einkehren.